Nur wer einen Pflegegrad hat bekommt auch Pflegegeld für die häusliche Pflege durch bspw. Angehörige von der gesetzlichen Pflegeversicherung. Der Pflegegrad wird nicht automatisch erteilt, sondern muss beantragt werden. Diesen Antrag auf Pflegegeld kann der Betroffen oder ein Bevollmächtigter (bspw. Angehörige) bei der jeweiligen Pflegekasse stellen. Die Pflegekasse ordnet den Betroffen einem bestimmten Pflegegrad (1 bis 5) zu oder lehnt den Antrag ab.
Mit der letzten Pflegegelderhöhung ist zu beobachten, dass die Pflegekassen nun bei der ersten oder nächsten Gelegenheit (bspw. Wiederbegutachtung) den Pflegegrad niedriger Einstufen oder gar ganz ablehnen. Dagegen können Sie sich mit einem Widerspruch wehren!
Der Pflegegrad beschreibt, in welcher Intensität der Betroffene in seiner Selbstständigkeit oder seinen Fähigkeiten beeinträchtigt ist. Es bestehen fünf Stufen:
Der Pflegeantrag wird durch die Pflegekasse individuell für den Betroffenen geprüft. Dazu wird ein persönliches Beratungsgespräch gemacht, wozu ein Gutachten durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK-Gutachten) erstellt wird. Dabei werden folgende Punkte bewertet:
In diesen Kategorien bestehen verschiedene Kriterien, in denen Punkte je nach Schwere der Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten verteilt werden. Bei Kindern wird die Einordnung der Schwere der Beeinträchtigung im Verhältnis zu altersentsprechend entwickelten Kindern bemessen. Insgesamt sind 100 Punkte möglich. Nach den §§ 61b, 61c Sozialgesetzbuch XII ergibt sich folgende Einstufung der Pflegegrade nach Punkten:
Punkte | Erwachsene & Kinder ab 18 Monaten | / | Kinder bis 18 Monaten |
---|---|---|---|
12,5 bis unter 27,0 | 1 | 2 | |
27,0 bis unter 47,5 | 2 | 3 | |
47,5 bis unter 70,0 | 3 | 4 | |
70,0 bis unter 90,0 | 4 | 5 | |
90,0 bis 100,0 | 5 | 5 |
Wichtige Anhaltspunkte für die Schwere von Beeinträchtigungen können sich aus ärztlichen Attesten, Diagnosen aus Arztbriefen, Medikamentenplänen etc. ergeben. Auch kann ein Pflegetagebuch helfen, in dem insbesondere die täglichen Beschwerden, Pflegemaßnahmen, Zeiträume dafür sowie besondere Vorkommnisse festgehalten werden. Halten Sie also unbedingt diese Dokumente unbedingt für die Prüfung zum Pflegegrad bereit.
Neben der Feststellung des Pflegegrads wird die Pflegekasse auch ermitteln, welche pflegerische Bedarf notwendig ist, wobei der häuslichen Pflege durch Angehörige regelmäßig Vorrang einzuräumen ist, sofern durch diese Personen eine geeignete Pflege sichergestellt werden kann.
Ist der Widerspruch wirksam erhoben, prüft die Pflegekasse nochmal ihre Entscheidung. Dazu wird in der Regel ein neues MDK-Gutachten – ggf. durch einen anderen Gutachter – erstellt und Feststellungen zu den zuvor genannten Punkten gemacht.
Sodann ergeht ein positiver Abhilfebescheid, wenn die Pflegekasse einen (höheren) Pflegegrad bewilligt, oder ein negativer Widerspruchsbescheid, in dem die Pflegekasse die Entscheidung aus dem ersten Bescheid aufrechterhält. Bei einem negativen Widerspruchsbescheid bleibt noch die Klage vor dem Sozialgericht.
Der Widerspruch ist fristgebunden. Grundsätzlich beträgt für den Widerspruch die Frist einen Monat ab dem Zeitpunkt, in dem der Bescheid zum Pflegegrad im Briefkasten ist. Sicherheitshalber sollte sich nach dem Datum auf dem Bescheid gerichtet werden. Fällt das Fristende auf einen Sam-, Sonn- oder Feiertag ist der nächste Werktag für den Fristablauf maßgeblich. Die Frist ist nur gewahrt, wenn der Widerspruch spätestens am letzten Tag der Frist bei der Pflegekasse eingegangen ist.
Außerdem muss der Widerspruch grundsätzlich schriftlich, also mit Unterschrift in Papierform erfolgen. Ein Einwurfeinschreiben oder Einschreiben mit Rückschein ist dafür sinnvoll, um ggf. anhand der Sendungsnummer belegen zu können, dass und wann der Widerspruch bei der Pflegekasse zugegangen ist. E-Mail oder Telefon reichen in der Regel nicht.
Der Widerspruch ist an die Pflegekasse zu richten, die den Bescheid zum Pflegegrad erlassen hat.
Spezielle Vorgaben zum Inhalt eines Widerspruchs gibt es nach dem Gesetz nicht.
Folgende Angaben sollten mindestens enthalten:
So bietet sich folgender Absatz zu Beginn des Widerspruchs an:
„Widerspruch gegen den Bescheid zum Pflegegrad vom [DATUM] – Aktenzeichen [AKTENZEICHEN] Versicherungsnehmer: [NAME, VORNAME] Versichertennummer: [NUMMER]“
Eine Begründung muss der Widerspruch nicht enthalten, ist aber durchaus sinnvoll und zu empfehlen, denn nur so weiß die Pflegekasse auch, an welchen Stellen möglicherweise falsche Bewertungen zu überprüfen sind. Ein Anwalt kann bei der Begründung des Widerspruchs gegen einen Pflegegrad zu Rate gezogen werden und diesen für Sie schlagkräftig formulieren. Wenn für eine Begründung mit Blick auf die Frist zu wenig Zeit verbleibt, kann auch erst einmal Widerspruch eingelegt werden und die Begründung nachgereicht werden.
Ein Widerspruch hat vor allem dann bessere Aussichten auf Erfolg, wenn in der Begutachtung oder auch sonst in der Begründung zum Pflegegrad medizinische Dokumente und Argumente nicht beachtet oder übergangen wurden. Sammeln Sie daher alle medizinischen Atteste, Arztbriefe, Medikationspläne usw. und führen Sie ein Pflegetagebuch.
Zudem kann eine Höherstufung des Pflegegrads auch dann eher erreicht werden, wenn nur wenige Punkte zum höheren Pflegegrad fehlen.
Auch allein der Umstand, dass der Widerspruch durch einen Anwalt mit Kanzleibriefkopf erhoben wird, kann die Erfolgsaussichten beeinflussen, auch wenn dies natürlich eigentlich nicht der Fall sein sollte.
Wird der Widerspruch abgelehnt, ergeht also ein Widerspruchsbescheid, kann Klage zum Sozialgericht erhoben werden.
Die Anwaltskosten richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Der Widerspruch gegen den Pflegegradbescheid durch einen Anwalt kostet ca. 350 bis 450€. Eine Klageerhebung und Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren durch einen Anwalt kosten ca. 635 bis 700€. Die Kosten für den Rechtsanwalt, soweit Sie obsiegen, durch die Pflegekasse ersetzt.
Die Anwaltskosten können durch Ihre Rechtsschutzversicherung übernommen werden. Viele Privatrechtsschutzversicherungen umfassen auch Fälle des Sozialrechts.
Das Widerspruchs- und das Gerichtsverfahren selbst kosten nichts.
..zum Inhaltsverzeichnis..Als Anwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt im Medizinrecht berate und vertrete ich Sie und Ihre Angehörigen gerne bei der Durchsetzung eines höheren Pflegegrads.
Kontaktieren Sie mich und vereinbaren Sie einen Termin zur Erstberatung.
© Chris-Oliver Fricke - Rechtsanwalt - 04.03.2024