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Medizinrecht: Ist eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse für einen Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung möglich?

Die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen in der Regel nur die Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung bei einem Psychotherapeuten mit Kassenzulassung. Die kassenärztliche Zulassung ist ein Mechanismus, der sicherstellen soll, dass die Behandlung von qualifizierten Fachleuten durchgeführt wird. Doch gerade in Zeiten, in denen der Bedarf an psychotherapeutischer Versorgung enorm ist, stoßen die Kapazitäten der Kassenzulassungen an ihre Grenzen. Die Wartezeiten sind lang, und viele Patienten suchen nach Alternativen.

Private Psychotherapeuten, die keine Kassenzulassung haben, sind eine solche Alternative. Sie können oft kurzfristig Behandlungsplätze anbieten und auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Patienten eingehen, sind aber auch teuer. Insofern bleibt die Kostenfrage: Können die Kosten für eine Behandlung bei einem Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir einen Blick auf die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen werfen. Das Medizinrecht und die Gesetze im Gesundheitswesen sind komplex, und es gibt keine einheitliche Antwort auf diese Frage. Die Möglichkeit der Kostenübernahme für einen Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Eine Möglichkeit für Patienten, die Kosten für einen Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet zu bekommen, besteht in einem Antrag auf Kostenerstattung. Dabei kann ich Sie als Rechtsanwalt unterstützen.


Welche Voraussetzungen hat ein Antrag auf Kostenerstattung?

Die Kostenerstattung ist in § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V geregelt. Danach besteht ein Anspruch des Versicherten auf Erstattung der Kosten für einen privaten Psychotherapeuten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht, die notwendig war.

Folgende Voraussetzungen müssen für einen Antrag auf Kostenerstattung vorliegen:

  • Anspruch auf die Leistung an sich gegen die Krankenkasse
  • Medizinische Notwendigkeit der Leistung
  • Unaufschiebbarkeit der Leistung
  • Keine rechtzeitige Erbringung der Leistung durch die Krankenkasse (Systemversagen)
  • Kein Beginn der selbstbeschafften Leistung durch den Patienten & keine Vorfestlegung
  • Antrag auf Kostenerstattung bei der Krankenkasse

Bei der Antragstellung und Prüfung der Voraussetzungen eines Kostenerstattungsantrags kann ich Ihnen als Rechtsanwalt behilflich sein.

Anspruch auf die Leistung an sich gegen die Krankenkasse

Zunächst muss es sich um eine Leistung handeln, die auch vom Umfang der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst und abgedeckt ist. Nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dazu zählt auch explizit die Psychotherapie nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V.

Medizinische Notwendigkeit der Leistung und Unaufschiebbarkeit der Leistung

Diese Behandlung durch einen Psychotherapeuten muss auch medizinisch erforderlich sein, also mindestens eine behandlungsbedürftige Diagnose gestellt sein. Unaufschiebbar ist eine Leistung, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Insofern muss es sich nicht um einen Notfall handeln, aber ein gewisses Maß an Dringlichkeit überschritten werden.

Keine rechtzeitige Erbringung der Leistung durch die Krankenkasse (Systemversagen)

Allerdings wird neben der Unaufschiebbarkeit vorausgesetzt, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte.

Der Zeitraum, in dem eine Behandlung noch rechtzeitig erbracht werden kann, kann nicht generell bestimmt werden, sondern muss sich an dem Einzelfall messen. Bei Vorliegen einer akuten und schwerwiegenden psychischen Erkrankung (bspw. Suizidgefahr) dürften nur verhältnismäßig geringe Wartezeiten zumutbar sein, während im Normalfall für eine Richtlinien-Psychotherapie ein Zeitraum von ein bis zu drei Monaten noch vertretbar erscheint.

Die Rechtzeitigkeit umfasst auch solche Fälle, in denen aufgrund des Fehlens eines Behandlungsplatzes bei einem Psychotherapeuten mit Kassenzulassung ein Systemversagen besteht. Ein solches Systemversagen lässt sich dadurch feststellen, dass kein zugelassener behandlungsbereiter Leistungserbringer in einer für den Patienten zumutbaren Zeit und Entfernung tatsächlich zur Verfügung steht. Welche Anstrengungen dem Versicherten auf der Suche nach einem zugelassenen und leistungsbereiten Leistungserbringer zumutbar sind und die Inanspruchnahme welcher Leistungserbringer ihm in Bezug auf Fahrwege, Wartezeiten und sonstige Umstände (etwa Geschlecht und Spezialisierung) zugemutet werden kann, lässt sich nur anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilen. (SG Berlin, Urteil vom 9. April 2018 – S 81 KR 1002/17 – Rn. 34 Juris)

Hinsichtlich der zumutbaren Anforderungen an die Therapeutensuche kann den Versicherten grundsätzlich abverlangt werden, die von der Kassenärztlichen Vereinigung und der Psychotherapeutenkammer zur Verfügung gestellten Informationen zu nutzen und sich von sich aus an mehrere zugelassene Leistungserbringer zu wenden und nach freien Kapazitäten zu erkundigen. Zu berücksichtigen ist hierbei aber auch, dass die langwierige Suche nach einem geeigneten Psychotherapeuten selbst unter Umständen psychisch sehr belastend sein und das vorhandene psychische Leiden damit ggf. verschlimmern kann. Auch insofern sind die Zumutbarkeitsanforderungen einzelfallbezogen zu bestimmen, wobei den Versicherten im Normalfall mehr als 20 oder 30 erfolglose Anfragen sicher nicht abverlangt werden können. Allerdings sollten fünf erfolglose Anfragen als Minimum (je nach Ort auch mehr oder nach gesundheitlichem Zustand auch weniger) stattgefunden haben. (SG Berlin, Urteil vom 9. April 2018 – S 81 KR 1002/17 – Rn. 35 ff.)

Kommt der Patient der Verpflichtung, sich um einen Behandlungsplatz bei Psychotherapeuten mit Kassenzulassung zu bemühen nach, trifft die Krankenversicherung die Pflicht den Patienten aktiv bei der Suche zu unterstützen. Dazu reicht ein Verweis auf die Terminservicestellen der kassenärztlichen Vereinigung regelmäßig nicht aus, denn diese vermitteln nur Termine für psychotherapeutische Erstgespräche und eine ggf. erforderliche Akutbehandlung, aber gerade nicht für probatorische Sitzungen und Richtlinienpsychotherapien (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2021 - L 5 KR 36-21 B ER – Rn. 61 juris; SG Berlin, Urteil vom 9. April 2018 – S 81 KR 1002/17 – Rn. 36 juris). Nichtsdestotrotz sollte sich der Patient an die Terminservicestelle wenden und den erfolgslosen Verlauf von Akutterminen hinsichtlich der Übernahme zur Behandlung durch den Bogen „PVT 11“ sowie ein Protokoll dokumentieren. Kommt die Krankenkasse ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht und ihrer Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen zügig erhält, nicht ausreichend nach, sodass der Patient keinen Therapieplatz bei einem Psychotherapeuten mit Kassenzulassung bekommt, liegt ein Systemversagen vor, dass einen Kostenerstattungsanspruch begründen kann bzw. es verhindert, dass die Krankenkasse sich nachträglich darauf beruft, dass ein Therapieplatz zur Verfügung gestanden hätte (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2021 – L 5 KR 36/21 B ER – Rn. 55 juris).

Kein Beginn der selbstbeschafften Leistung durch den Patienten & keine Vorfestlegung

Im Regelfall kann hiervon erst ausgegangen werden, wenn die Krankenkasse mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur dann kann ein Zusammenhang zwischen dem Versagen der Krankenkasse und der Kostenlast beim Patienten hergestellt werden, was den Kostenerstattungsanspruch zu begründen vermag. Daher darf die selbstbeschaffte psychotherapeutische Behandlung auch noch nicht begonnen worden sein, wenn der Antrag bei der Krankenkasse gestellt wird. Es gibt nur ganz seltene Ausnahmen von dieser Regel (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Februar 2022 – L 11 KR 881/21 – Rn. 33 f. juris). Eine Kostenübernahme aufgrund eines Notfalls (vgl. § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V) ist im psychotherapeutischen Bereich – insbesondere, wenn die Kostenerstattung auf Langzeittherapien gerichtet ist – kaum denkbar (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2021 - L 5 KR 36-21 B ER – Rn. 49 juris).

Ein Anspruch auf Kostenerstattung ist also nur gegeben, wenn u.a. ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, also die nicht rechtzeitige Erbringung der Leistung durch die Beklagte wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung war; insbesondere darf der Versicherte sich nicht von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt haben.

Wie kann ich die Voraussetzungen für einen Antrag auf Kostenerstattung nachweisen?

Wenn Sie alle Voraussetzungen erfüllen, müssen Sie diese auch nachweisen können. Vorab eine Zusammenfassung der nachfolgenden Mittel zum Nachweis für eine Kostenübernahme:

  • Medizinische Erforderlichkeit
    • Ein oder mehrere Formulare PTV 11 mit Kreuz bei einer Behandlungsvariante samt Verdachtsdiagnose
    • Schriftliche Erklärung bzw. Dringlichkeitsbescheinigung zum Beispiel des Hausarztes oder eines Psychiaters
  • Unaufschiebbarkeit
    • Ein oder mehrere Formulare PTV 11 mit Kreuz bei „zeitnah erforderlich“
    • Schriftliche Erklärung bzw. Dringlichkeitsbescheinigung zum Beispiel des Hausarztes oder eines Psychiaters
  • Keine Rechtzeitigkeit/Systemversagen
    • Ein oder mehrere Formulare PTV 11 mit Kreuz bei „Die psychotherapeutische Behandlung kann NICHT in dieser Praxis durchgeführt werden“
    • Protokoll über den erfolglosen Suchverlauf und die erfolglosen Kontakte und Termine zu Psychotherapeuten (ggf. über die Terminservicestelle)
    • Schriftliche Bitte an die Krankenkasse, nach erfolgloser Suche, aktiv zu unterstützen
    • Ggf. ein Schreiben der Terminservicestelle, dass kein freier Behandlungsplatz gegeben ist
  • Sonstiges
    • Übernahmebescheinigung durch einen Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung, dass er einen freien Behandlungsplatz zeitnah anbieten kann

Die medizinische Erforderlichkeit der psychotherapeutischen Behandlung kann im Rahmen von Akutterminen durch das Formular „PTV 11“, der durch den Psychotherapeuten auszufüllen ist nachgewiesen werden. Hierfür sollte bei den „Empfehlungen zum weiteren Vorgehen“ eine der Behandlungsvarianten (bspw. „ambulante Psychotherapie“) angekreuzt und eine Verdachtsdiagnose gestellt sein. Daneben sollte zum Beispiel durch den Hausarzt oder einen Psychiater eine Diagnose schriftlich bestätigt werden.

Hinsichtlich der Unaufschiebbarkeit der Leistung hilft auch das Formular „PTV 11“ weiter. Insofern sollte das Feld unten rechts bei „Ihr nächster Termin“ „zeitnah erforderlich“ angekreuzt sein. Eine Dringlichkeitsbescheinigung des Hausarztes oder eines Psychiaters sollte ebenfalls beigelegt werden.

Letztlich ist im Rahmen des Bogens „PTV 11“ ebenfalls auf ein Kreuz bei „Die psychotherapeutische Behandlung kann NICHT in dieser Praxis durchgeführt werden“ zu achten, da damit in Kombination mit einem eigens geführten Protokoll über den erfolglosen Suchverlauf und Kontakte (Termine, E-Mail und Telefon) zu Psychotherapeuten der Nachweis darüber, dass die Leistung nicht rechtzeitig erbracht werden konnte. Dabei sollten der Name des Kontaktierten, Datum, Uhrzeit und ggf. nächst möglicher Behandlungsplatz festgehalten werden. Sie sollten mehr als fünf Psychotherapeuten kontaktieren. In Großstädten wie Leipzig, Dresden, Berlin oder Hamburg, wo eine Vielzahl von Psychotherapeuten mit Kassenzulassung ansässig ist, können auch mehr Kontakte erforderlich sein. Die Kontaktversuche sollten telefonisch und ggf. zusätzlich per E-Mail erfolgen. Kontaktversuche allein per E-Mail können durch die Krankenkasse als nicht ausreichend angesehen werden. Das Protokoll sollte sich auch nicht nur auf einen Tag beschränken, sondern Kontaktversuche über ein bis zwei Wochen ausweisen.

Was passiert nach der Antragstellung?

Ist der Antrag bei der Krankenkasse gestellt, prüft diese, ob die oben genannten Voraussetzungen vorliegen und durch Sie nachgewiesen sind.

Sodann fällt die Krankenversicherung binnen drei Wochen bzw., soweit eine gutachterliche Stellungnahme erforderlich ist, binnen fünf Wochen eine Entscheidung über Ihren Kostenerstattungsanspruch.

Verstreicht diese Frist ohne eine Entscheidung, gilt der Kostenübernahmeantrag als genehmigt.

Was kann ich tun, wenn mein Antrag auf Kostenerstattung durch die Krankenkasse abgelehnt wurde?

Hat die gesetzliche Krankenversicherung Ihren Antrag auf Kostenerstattung bzw. Kostenübernahme für einen Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung abgelehnt, können Sie dagegen bei der Krankenkasse Widerspruch einlegen. Darin können Sie darlegen, warum die Krankenversicherung Ihren Antrag nicht ablehnen durfte – bspw. weil sie von falschen Tatsachen ausgeht oder Ihren Einzelfall nicht hinreichend individuell gewürdigt hat. Dabei kann ein Rechtsanwalt behilflich sein.

Die Frist dazu beträgt in der Regel einen Monat und beginnt mit dem Zugang des Ablehnungsschreibens der Krankenversicherung bei Ihnen. Fehlt dem Ablehnungsschreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung kann der Widerspruch auch binnen eines Jahrs erhoben werden.

Danach prüft die Krankenkasse nochmal, ob nicht doch eine Kostenübernahme zugestanden wird und es ergeht ein positiver Abhilfebescheid oder ein negativer Widerspruchsbescheid. Erfolgt keine Abhilfe, ergeht also ein für Sie negativer Widerspruchsbescheid, bleibt noch der Weg zum Sozialgericht. Spätestens für eine solche Klage ist anwaltlicher Rat sinnvoll. ..zum Inhaltsverzeichnis..

Ihre Suche nach einem Psychotherapeuten mit Kassenzulassung verläuft erfolglos? Ein Behandlungsplatz bei einem Psychotherapeuten ohne Kassenzlassung ist aber frei? Ich werde für Sie als Rechtsanwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt im Patientenrecht tätig!
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© Chris-Oliver Fricke - Rechtsanwalt - 02.11.2023